Der Inselstaat Jamaika zählt nicht einmal drei Millionen Einwohner. Die Musikkultur ist jedoch so vielfältig und eigenständig wie in kaum einem anderen Land: Ob Reggae, Ska, Calypso oder Funk und Jazz - es lassen sich etliche Stile auf der Insel finden. Zeit für Caballo einen näheren Blick auf die Musikszene zu werfen. An seiner Seite, Rob Kenius, Pionier der deutschen Reggae-Szene, der mit seiner Gruppe Taugenixe die erste deutsche Reggae-LP aufgenommen hat.
1) The Marvels - Rock Steady
(Single, Pama Supreme, 1971)
Die Mai-Ausgabe startet mit der funkigen Rocksteady-Nummer "Rock Steady" von The Marvels. Hinter diesem Aretha Franklin-Cover verbirgt sich ein Trio von Studiosaengerinnen, die sich 1964 zusammenschlossen um aus der Anonymitaet hervorzutreten.
Rocksteady ist eine Mischung aus R&B, Jazz. im Falle der Marvels Funk und Ska. Besonders die offbeat-gespielten Staccato-Akkord, gespielt von der Rhythmusgitarre sind typisch - nicht nur fuer Rocksteady, sondern jamaikanische Musik generell.
2) Truth, Fact & Correct - Babylon deh pon fire
(Single, Upsetter, 1976)
Dieser Song wurde produziert von der Reggae-Legende Lee "Scratch" Perry. Er ist einer derwichtigsten Reggaeproduzenten Jamaikas und hat in den späten 60ern den
Dub-Stil, bei der Roots Reggae mit Effekten überlagert und abgemischt
wird, entscheidend geprägt. Die Single wurde in seinem Black Ark Studio aufgenommen, das seit der Gründung 1973 zu einem zentralen Ort der jamaikanischen Musikszene geworden war.Perry ist nach wie vor aktiv und begeistert seine Fans weltweit mit seinen Liveauftritten:
3) Ramon & The Crystalites - Golden Chickens
(Single, Song Bird, 1971)
Viele Informationen lassen sich nicht finden zu dieser raren Single von Ramon & The Crystalites. Produziert wurde der Song von Derrick Marriott, der Anfang der 70er als einer der ersten Musiker mit King Tubby zusammen arbeitete. Gehandelt wird die Single zwischen 50 und 100 Dollar.
4) King Tubby & The Agrovators - Dub of Rights
(Rod of Correction, Clock Tower, 197?)
King Tubby ist eine der wichtigsten Figuren in der Entwicklung des Dub. Nachdem er anfangs als Radio- und Fernsehtechniker an allen Geraeten herumbastelte die ihm in die Hände fielen, baute er sich Ende der 60er seine eigene Soundanlage. Ausgestattet mit verschiedenen Chorus- und Delayeffekten gelang es ihm schnell einen Sound zu kreieren, der sich von den üblichen Soundsystems Jamaicas abhob.
Der erste Dub-Track von Tubby entstand mehr durch Zufall, Duke Reid versehentlich Teile der Vocalspur eines Tunes wegließ. Eine
andere Erklärung besagt, er ließ die Musikspur (zu jener Zeit wurde
noch im Zweispurverfahren aufgenommen) mit Absicht für ein paar Takte
weg, um zu kontrollieren, ob der Sänger auch tatsächlich den Ton
getroffen hatte. Ihm jedoch gefiel dieser "Fehler" so sehr, dass er begann, eine eigene
Musikrichtung daraus zu entwickeln.
5) Lennie Hibbert - Rose Len
(Creation, Studio One, 1969)
Das Debut-Album "Creation" von Lennie Hibbert unterschiedet sich in Teilen deutlich von den meisten Releases Jamaikas. Besonders "Rose Len" sticht durch die jazzige Klangfärbung und Hibberts Vibraphonspiel hervor. Erlernt hat Hibbert dieses Instrument als Autodidakt in den 40er Jahren, als er in einer jamaikanischen Militärkapelle als Schlagzeuger angestellt war.
Das Studio One, in dem die Aufnahmen entstanden sind wird häufig als "Motown of Jamaica" bezeichnet. Denn ähnlich dem Detroiter Soullabel war hier das Herz von Kingston's Hitschmiede, wo das Who is Who der Reggae-Szene aufnahm: Von den Skatalites, über Bob Marley bis hin zu Jimmy Cliff.
6) Samson the lark - Undemocratic Rhodesia
(Single B-Seite, Jump Up, 1971)
Noch so eine obskure No-Name-Single. Die Single-B-Seite "Undemocratic Rhodesia" ist wohl der einzige Titel den Samson the Lark herausgebracht hat. Selbst die A-Seite stammt nicht von ihm, sondern von Mister Calypson. Produziert wurden beide Songs von Ed Shaw, arrangiert von Neville Sampson.
7) Tommy McCook & his Skatalites - Silver Dollar
(Single, Treasure Isle, 1964)
The Skatalites ist die wichtigste Band in der Geschichte des Ska. Die Gruppe gründete sich 1963 auf Initiative von Tommy McCook. In dieser Zeit spielten sie nahezu alle Stücke ein, auf deren Grundlage Vocalists wie Bob Marley, Peter Tosh und Jimmy Cliff dem neugewonnenen Selbstbewusstsein des 1962 unabhängig gewordenen Jamaikas Ausdruck verliehen. Alle Mitglieder, darunter Roland Alphonso, Don Drummond und Jackie Mittoo, besuchten die Alpha Boys Catholic School,
einem mitten im West-Kingstoner Ghetto gelegenen Internat für schwer
erziehbare Kinder, dessen strenge Ausbildung an die klassische
europäische Musik angelehnt war. Absolventen dieser Schule spielten
bereits in den Fünfziger-Jahren in eigenen Bands und tourten mit ihrer
Interpretation von Jazz durch verschiedene Clubs und Bars, andere wurden
als Studiomusiker engagiert. Auf jene kleine Gruppe von Musikern konzentrierte sich auch die
Herausbildung des Ska.
8) Toots & The Maytals - Funky Kingston
(Funky Kingston, Dragon, 1973)
Toots & The Maytals sind Kult in Jamaika. Sie halten dort den Rekord mit 31 Nummer-Eins Hits, noch vor Bob Marley & The Wailers. Ihre Karriere begannen sie mit Ska-geprägter Musik Anfang der 60er Jahre. In den späten 60ern erfolgte ein Umbruch in ihrer Musik und die Gruppe wandte sich mehr dem Rocksteady zu. Die LP "Funky Kingston" das erste Album der Band, das nicht aus zuvor releastem Single-Material besteht. Der Titelsong ist eine Synthese aus populärem Funk mit Reggae. In den USA wurde das Album in einer abgewandelten Version erst zwei Jahre nach dem offiziellen Realease-Datum veröffentlicht, schaffte es aber lediglich auf Platz 164 in den Billboard Charts.
Dies bestätigt wie unpopulär Reggae noch in den 70ern war.
9) Taugenixe - Reggae Ron
(Reggae Ron, Ariwa, 1984)
Eine kleine Randnotiz zu diesem Song für alle Nerds: Als die Taugenixe "Reggae Ron" bei Mad Prof recordeten inspirierten sie die Sängerin Sandra Cross zu der Single Mr. President Man. Sandra Cross befand sich zu diesem Zeitpunkt mit im Studio. Ihr Bruder spiele für die Taugenixe Schlagzeug. Der Präsident, der in beiden Liedern angesprochen wird ist im Übrigen niemand anderes als Ronald Reagan, welcher wegen seiner harten Haltung im Ost-West-Konflikt viele Kritiker auf sich zog.
10) Mad Professor - Natural Vegetation
(Dub me Crazy Pt. 3 - African Connection, Ariwa, 1983)
Mad Professor, bürgerlich Neil Joseph Stephen Fraser ist ein Musikproduzent und eine einflussreiche Persönlichkeit in der Entwicklung des Reggae und Dub. Seit seinem 13. lebensjahr lebt und arbeitet er in London, wo er die Reggaeszene wie kein anderer geprägt hat. Er veröffentlichte seit 1979
über 130 Alben und gilt als einer der wichtigsten Produzenten in der 2.
Generation des Dub-Reggae. Mit mehr als zwei Alben pro Jahr ist er
außergewöhnlich produktiv und produzierte unter anderem mit den Reggae-Veteranen wie Lee Perry zusammen. Wie Rob Kenius im interview berichtet spielt er auch eine Schlüsselrolle für die Anfänge des deutschen Reggae. Sein Stil ist geprägt durch Echos, gekonnten Umgang mit verschiedenen Effekten sowie einen äußerst dynamischen Beat.
11) Taugenixe - German Luv
(Reggae Ron, Ariwa, 1984)
Randnotiz für Nerds, Teil 2: Nach dem der Erfolg für die Taugenixe ausblieb, versuchte die Gruppe es in anderer Besetzung und mit neuem Namen noch einmal und nahm zwei Jahre später noch einmal mit Mad Professor auf. Unter dem Titel Mad Professor meets Puls der Zeit erschien eine LP, auf der sich der Titel Zaire befindet - eine abgewandelte Version von "German Luv".
12) Wayne Smith - (Under me) Sleng teng
(Sleng Teng, Greensleeves, 1986)
Bei dieser Single handelt es sich um den ersten Dancehall-Hit der Geschichte. Prince Jammy ist der Mann, der verantwortlich ist für den ersten vollständig elektronisch produzierten Song Jamaikas. Gelernt hat Jammy bei niemand geringerem als King Tubby. Nachdem ihm die Mixe seines Schützlings jedoch zu ausgefallen wurden, baute der Prince sich sein eigenes Reich auf. Das jamaikanische Tanzvolk dankte es ihm und feierte stundenlang zu Wayne Smiths "Sleng Teng":
13) Boris Gardiner - Negril
(Every Nigger is a Star, Leal, 1973)
Sänger, Songwriter und Bassgitarrist Boris Gardiner ist verantwortlich für einen der wenigen jamaikanischen Original-Soundtracks. Dementsprechend wertvoll ist die Platte und wird für etwa 600 Dollar gehandelt. Von dem Blaxploitation-Film selbst sind mir keine Informationen bekannt, es lässt sich kein Trailer zu dem Streifen auftreiben. Offenbar handelt es sich hierbei um den Versuch den abwertenden Begriff "Nigger" umzukehren und ihn als Symbol für eine positive, selbstbewusste Einstellung bezüglich der eigenen Hautfarbe zu verwenden. Eine Idee, die sich in vielen Blaxploitation-Filmen wiederfinden lässt.
Download-Ticket für den Trip nach Jamaika:
ReplyDeletehttps://rapidshare.com/files/3748496342/DITC_-_Sendung_15_-_Reggae.mp3