1) The Blizzards - Hab keine Lust heut aufzustehen
(Single, Fontana, 1965)
Diese Garagenband hat in den 60er Jahren im Großraum Hamburg für einigen Wirbel auf den Tanzflächen der Beat-Diskotheken gesorgt. Die aus Stade stammende Gruppe belegt eindrucksvoll, dass bereits zu diesem frühen Zeitpunkt eine eigenständige Beatszene in Deutschland existierte. Inspiriert von The Bealtes (die jahrelang im Hamburger Star-Club auftraten)und anderen englischen Bands gründete sie sich 1961 und trug dazu bei, dass Hamburg damals als deutsches Beat-Mekka galt.
2) Hartmut Kiesewetter - Fuccade Hit
Harmut Kiesewetter ist einer der vielen fast vergessenen Komponisten und Arrangeure aus Deutschland. Die Wenigen, denen er ein Begriff ist, verbinden mit seinem Namen wahrscheinlich tanzbare Unterhaltungsmusik, die er für diverse Schlagerstars produziert hat. Unter Pseudonymen wie Hardy's Jet Band oder Hardy Kingston & His Orchestra entstanden aber auch Jazz- oder Library-LP's, die bei Sammlern vor allen wegen der funkigen Breaks sehr beliebt sind.
3) Rolf Kühn - Manhatten Skyline II
(City Calling, Selected Sound, 1974)
Der Jazzpianist und Klarinnetist wurde 1929 in Köln geboren und beeinflusste die Entwicklung der deutschen Jazzszene nach dem zweiten Weltkrieg maßgeblich. Gemeinsam mit seinem Bruder Joachim Kühn erhielt er dieses Jahr den Jazz-Echo für sein Lebenswerk. Neben klassischem Jazz, Jazzrock und Free Jazz, schrieb er auch Scores für Serien wie Tatort oder Derrick. Die LP "City Calling" ist eine der wenigen Library-Aufnahmen, die Kühn in seiner Karriere einspielte.
4) Lokomotive Kreuzberg - Geldsack
In den 70er Jahren gab es eine Vielzahl von interessanten Musikprojekten, die nicht selten aus politischen Beweggründen heraus entstanden. So beschloss das Künstlerkollektiv Lokomotive Kreuzberg 1972 populäre Rockmusik mit politischem Kabarett und gesellschaftskritischen Theaterinszenierungen zu verbinden und eine Mischung aus diesen drei Elementen bei ihren Konzerten zu präsentieren. Die Alben der Gruppe sind ähnlich konzipiert und haben die Form eines musikalisch-politischen Hörspiels.
5) Theo Schumann -Combo - Radebeul-West
(Single B-Seite "HullyGully Party", Amiga, 1964)
Von den Einen als zu seicht und konform verschmäht, von den Anderen als authentische Beatgruppe mit eigenem Stil gefeiert: Die Musik der 1961 gegründeten Theo-Schumann-Combo polarisierte die Beatfans in der DDR vom ersten Tag an. Bedenkt man, dass Beatmusik vonseiten der SED-Führung verpönt und als "nicht-sozialistische" Musik eingestuft wurde wird diese Kontroverse verständlicher. Einerseits wollten die Hörer der amerikanischen Beathits ihren Status aufbegehrende Jugendliche nicht hergeben, andererseits wollten die Politiker der als Krawall-Provozierend geltende Beat- und Surfmusik keine offizielle Lizenz erteilen. Theo Schumann fand mit seiner Gruppe einen Weg, sich mit seiner Musik trotz dieser Widersprüche zu behaupten und zählt zu den wichtigsten ostdeutschen Vertretern dieser Musik.
6) Panta Rhei - Der Losverkäufer
(Panta Rhei, Amiga, 1973)
"Alles fließt" in der Musik von Panta Rhei, zumindest wenn man dem Bandnamen glauben schenkt. Und tatsächlich bewegt sich die DDR-Gruppe auf ihrem ersten Album flüssig durch verschiedene Musikstile und verbindet deutsche Texte mit Funk, Jazz und Rock. Die Sängerin auf dem gleichnamigen Debut-Album ist niemand geringeres als Veronika Fischer, die Ende 1973 ihre Solokarriere startete. Nachdem sich der Rest der Band zwei Jahre später auflöste, gründeten Gitarrist und Sänger Dreilich, Bassist Protzmann und Keyboarder Swillms die Gruppe Karat. Ihr bekanntester Titel ist "Über sieben Brücken musst du gehn".
7) Michael Naura - Why is Mary so nervous
(Call, MPS, 1971)
Das Label Musik Produktion Schwarzwald (MPS) zählt ohne Zweifel zu den renomiertesten deutschen Jazzlabels. 1968 in der Kleinstadt Villingen gegründet, wurden darüber eine Vielzahl hochwertiger Releases von Musikern wie Volker Kriegel oder Rolf Kühn herausgebracht. Der Labelkatalog ist jedoch nicht auf deutsche Künstler beschränkt, sondern beinhaltet auch LP's internationaler Musiker. Von George Duke, über Oscar Petersen, bis hin zu Baden Powell haben viele hochkarätige Jazzstars Platten bei MPS releast. Michael Naura zählt ähnlich wie Rolf Kühn zu den wichtigsten Figuren im deutschen Jazz und neben seiner Musik jahrelang als Jazzredakteur beim NDR tätig.
8) Ambros Seelos - Guma
(Ambros Seelos, Ariola, 197?)
Ähnlich wie Hartmut Kiesewetter zählt auch Ambros Seelos zu den vergessenen Arrangeuren und Komponisten. Seine Veröffentlichungen waren jedoch wesentlich stärker von seichter Tanz- und Unterhaltungsmusik geprägt. Lange Zeit spielte er mit seinem Orchester auf Kreuzfahrtschiffen und füllte mit Interpretationen bekannter Hits die Tanzflächen an Bord. Dennoch war er dem Funk keineswegs abgeneigt und verstand es diesen auf eine Big-Band zuzuschneiden. "Guma" ist hierfür ein klangvolles Beispiel.
9) Botho Lucas Chor & The Soundmasters - Cigarillo
(Come on, clap Hands, Dance, MFP, 1972)
Der Deutsch-Brasilianer Gerhard Dannemann gründete Ende des 19. Jahrhunderts seine erste Zigarrenfabrik in Sao Paolo und produzierte dort Zigarren für den deutschen Markt. Um diese erfolgreich zu vermarkten wurde Anfang der 70er der Botho Lucas Chor engagiert. Die Gruppe sollte mit ihrem Titel die brasilianischen Wurzeln des Unternehmens andeuten und vor allem das als konservativ geltende Produkt durch zeitgemäße Musik attraktiver machen. Herausgekommen ist ein kurioser Song, der trotz Veröffentlichung auf dem großen Unterhaltungslabel MFP nur schwer zu finden ist.
10) Hildegard Knef - Wie viele Menschen waren glücklich, daß Du gelebt?
(Knef, Decca, 1970)
Ihre Karriere begann Hildegard Knef als Schauspielerin in den späten 40er Jahren. Für große Aufmerksamkeit sorgte sie erstmals 1950 mit einer Nacktszene in dem Film "Die Sünderin", was heftige Proteste seitens der katholischen Kirche hervorrief und damit verbunden für großen Medienrummel sorgte. Wer an ihren bekanntesten Song "Für dich soll's rote Rosen regnen" denkt, für den ist die LP "Knef" eine absolute Überraschung. Für mich zählt der Eröffnungssong "Wie viele Menschen waren glücklich, dass du gelebt?" zu einem der besten deutschsprachigen Songs überhaupt.
11) Hoelderlin - Traum
(Hoelderlin's Traum, Pilz, 1972)
12) Dieter Moebius - Transport
(Tonspuren, Sky, 1983)
Dieter Moebius hat mit den Bands Harmonia und Cluster Pionierarbeit für die elektronische Musik geleistet. Mit ihren synthetischen Klangprojekten der frühen 70er Jahren beeinflussten sie nachfolgende Musikergenerationen maßgeblich. Künstler wie David Bowie, The Human League oder die Red Hot Chili Peppers geben die Gruppen als wichtigen Einfluss an. In Deutschland sind ihre Alben, die frühe Formen von Trance und Ambient aufweisen, nicht mehr allzu vielen Leuten bekannt. Die Soloalben von Moebius führen dies elektronischen Gehversuche der Vorläufer-LP's konsequent weiter und zeigen deutlich, dass die Wurzeln seines Schaffens in Steve Reich's Minimal und den elektronischen Experimenten Karlheinz Stockhausen's liegen.
13) Eileen - Die Stiefel sind zum Wandern
(Single, Vogue, 1966)
Nancy Sinatras Evergreen "These boots are made for walking" ist vermutlich jedem von euch bekannt. Das in den 60ern eine deutsche Coverversion dieses Titels erschien dürften dagegen nur wenige wissen. Eileen übersetzte das Lied mit "Die Stiefel sind zum Wandern" und kreierte eine (unfreiwillig) komische Neuinterpretation des US-Hits. Soweit ich weiß hat sie im gleichen Zuge sogar noch eine italienische und französische Version releast.
14) Peter Thomas - Crime doesn't pay
(FBI Man Jerry Cotton, Polydor, 1967)
Peter Thomas zählt zu den wichtigsten deutschen Filmkomponisten und schrieb die Musik für etwa 100 Kinofilme und 600 Fernsehfilme und -serien. Darüber hinaus existiert eine schier unüberschaubare Anzahl von Melodien und Themen für Werbe- und Industriefilme, Dokumentationen, Musicals und Archivproduktionen. Das seine Musik bei Filmfans und Regisseuren hoch im Kurs steht zeigt sich schon daran, dass Quentin Tarrantino seinem Kollegen George Cloney für dessen Debut "Confessions of a dangerous mind" Musik von Peter Thomas empfahl. Fünf Titel aus frühen Edgar Wallace-Scores fanden in Cloneys Film schließlich Verwendung. Die LP "FBI Man Jerry Cotton" nahm Thomas für die gleichnamige Krimi-Serie auf, die aus den berühmten Jerry Cotton-Groschenheftchen hervorging.
15) Wir - Jerusalem
(Die Welt von Heute, Metronome, 1971)
Meine Recherchen zur Gruppe "Wir" ergaben leider nicht allzu viele Informationen. Offenbar hat die Band nur ein Album veröffentlicht und mit der ausgekoppelten Single "David und Goliath" einen großen Hit. Geschrieben hat diesen Song Drafi Deutscher, der auch als Sänger fester Bestandteil von "Wir" war. Neben Schlager-lastigen Gute-Laune-Liedern befindet sich auf der LP aber auch das ein oder andere Break, wie zum Beispiel auf "Jerusalem", dass auf dem Album durch den rockigen Anstrich herausragt.
Hier ist der Link für die MP3-Datei:
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