Das einwohnerstärkste Land Lateinamerikas hat unter anderem mit Stilen wie Samba, Bossa Nova und MPB die Musikwelt der 60er und 70er Jahre nachhaltig beeinflusst. Caballo taucht dieses Mal nach brasilianischen Klangperlen, die seit dem in Vergessenheit geraten sind und befördert sommerlichen Funk, Rock und Jazz auf den Plattenteller.
1) Os 3 Morais - Freiro Aerodinamico
(Os Tres Morais, London Records, 1971)
Die Ausgabe startet mit "Feiro Aerodinamico" von Os 3 Morais, einer (der Bandname legt es bereits nahe) dreiköpfigen Gesangsgruppe aus Brasilien. Ihr gleichnamiges Album, gleichzeitig ihre zweite Studio-LP ist heute heiß begehrt und kostet circa 100 Euro. Eine Nachpressung oder CD-Veröffentlichung gibt es meines Wissens nach nicht.
2) Djavan - Nereci
(Djavan, Odeon, 1978)
Djavan Caetano Viana wurde 1949 in Alagoas geboren und begann mit 24 Jahren als Sänger und Gitarrist durch die Nachtclubs Rio de Janeiros zu tingeln. Nachdem er eine Reihe von Gesangswettbewerben gewann, veröffentlichte er 1976 sein erstes Album und positionierte sich musikalisch im brasilianischen Pop MPB. Manche seiner Lieder wurden international Hits und unter anderem von Al Jarreau, Carmen McRae oder The Manhattan Transfer neuinterpretiert.
3) Tim Maia - O caninho do bem
(Racional Vol.2, 1975, Seroma)
Tim Maia galt Zeit seines
Lebens als umstrittene Musiklegende mit kuriosem Laubenslauf. Als
Teenager wanderte er in die USA aus, wo er jedoch mehr Zeit in der
Gefängniszelle als im Studio verbrachte und nach vier Jahren wieder
nach Brasilien abgeschoben wurde. Funk und Soul-Musik hatten es ihm
aber angetan und fanden mit den portugiesischen Texten großen
Anklang in seinem Heimatland. Die Star-Allüren ließen nicht lange
auf sich warten und so blieb er regelmäßig Auftritten fern,
verbrannte Session-tapes, die er mit der Band von James Brown
aufgenommen hatte, ließ Kampfhunde auf den Boss seines Labels los
und hatte weit mehr als hundert Gerichtsverfahren am Hals. 1974
schloss er sich nach einem Meskalintrip der Sekte Cultura Racional
an, und entsagte fortan dem Leben mit Dorgen und Gewalt und sang
ausschließlich über diesen neuen Weg der Vernunft – wie auch auf
„O camijo do bem“. Nachdem er seine Frau jdeoch inflagranti mit
dem Oberhaupt des Kultes erwischte, trat sofort aus der Organisation
aus und fröhnte wieder seinem alten Rockstarleben bis 1998, als er
im Alter von 55 Jahren starb.
4) Edu Lobo - Viola fora do mora
(Missa Breve, Odeon, 1972)
Edu Lobo ist einer der Bossa Nova-Ikonen der 60er Jahre. Zu seinen größten Erfolgen zählt das häufig neuinterpretierte "Upa Neguinho", weniger bekannte Songs wie "Viola fora do mora" zählen live aber ebenfalls zu seinem Standard-Repertoire. Auf der Bühne sang und musizierte er bereits gemeinsam mit brasilianischen Musikgrößen wie Elis Regina, Serdio mendes oder Antonio Carlos Jobim, dem Begründer des Bossa Nova. Amerikanische Stars wie Earth, Wind & Fire wollten aber ebenso mit Lobo aufnehmen, wie der belgische Jazzer Toots Thielemann.
5) Nara Leao - Cacara
(Os grandes sucessos de Nara Leao, Fontana, 1982)
Aus Sicht ihres Vaters war nara Leao ein schüternes Kind. Aus diesem Grund schenkte er ihr zum zwölften Geburtstag eine Gitarre. Bereits als Teenager kam sie in Kontakt mit der jungen Bossa Nova-Szene und begann 1963 als Tourbegleitung von Sergio mendes ihre professionelle Musiklaufbahn.
6) Joao Donato - A ra
Bis in die späten 60er
dominierte dort Bossa Nova die Hitparaden, eine Mischung aus Samba
und Cool Jazz, die ursprünglich Antonio Carlos Jobim entwickelt und
von vielen Musikern auch außerhalb Brasiliens aufgegriffen wurde.
Einer der brasilianischen Sessionmusiker, der bereits früh in dieser
Bewegung mitwirkte war Joao Donato. Er spielte unter anderem mit
Jobim und Joao Gilberto, aber eben auch mit amerikanischen
Jazzkollegen wie Ron Carter oder Bud Shank und war so maßgeblich an
der Verbreitung des Stils beteiligt.
7) Marcos Valle - The Crickets sing for Anamaria
(Samba '68, Copacabana, 1968)
8) Marcos Valle - Mentira
(Previsao Do Tempo, Odeon, 1973)
Der Multiinstrumentalist, Produzent und Sänger Marcos Valle begann seine Karriere in den frühen 60ern
mit Samba-Aufnahmen, schloss sich dann aber schnell der
Bossa Nova-Bewegung an und spielte unter anderem in der Band von Sergio Mendes,
ehe er sich in den frühen 70ern dem Jazz, Soul und später dem
Fusion zuwandte. Obwohl er sich nie wirklich aus dem
Musikgeschäft zurückzog, geriet seine Musik in den späten 80ern und 90ern etwas in Vergessenheit. Seit einigen Jahren ist jedoch wieder ein wachsendes Interesse an seinen alten Aufnahmen festzustellen. Erst vor wenigen
Monaten wurden vier seiner Alben neuveröffentlicht. Eines davon ist
Previsao do tempo von 1973, von dem ich nun den großartigen Titel
Mentira spiele.
9) 14 Bis - God save the Queen
(Single, MAD, 1972)
Die Single "God save the Queen" bezieht sich nicht auf den gleichnamigen Song der briischen Punkband he Sex Pistols - ein Blick auf das Erscheinungsjahr genügt zum Beweis. Kurioserweise scheint es zwei Rock-Gruppen mit dem Namen 14 Bis zu geben, soweit ich weiß, hat die hier zu hörende Band nur diese Sngle releast. Wohingegen die zweiten 14 Bis ihre Karriere 1979 mit dem Album "14 Bis" starteten und bis heute aktiv ist.
10) Azambuja & CIA - Tema do Azambuja
(Azambuja & CIA, CID, 1975)
Zu dieser LP und ihren Interpreten liegen mir leider kaum Informationen vor. Das Album erschien 1975 und ist vor allem wegen "Tema do Azambuja" sehr begehrt.
11) Peter Thomas - Afrikan Bossa
(O Melhor De Peter Thomas, Imagem, 1974)
Bei dem Titel „O melhor de Peter
Thomas“ musste ich natürlich gleich an den deutschen Filmkompnisten Peter Thomas denken, der unter anderem die Musik für Raumpatrouille Orion geschrieben hat. Das Cover, auf dem eine schlecht ins Bild eingefügte Heimorgel durchs Weltall fliegt, hat den Eindruck es würde sich hierbei um eine Low-Budget-Adaption seiner Musik handeln noch verstärkt. Zwar ist dieser Peter Thomas Peter nicht jener Filmkomponist, sondern brasilianischer Organist, doch Stücke wie „Afrikan Bossa“ machen diese Scheibe trotzdem zu einem großartigen Album, dass an Library-Platten der frühen 70er erinnert.
12) Banda Uniao Black - A familia Black
(Banda Uniao Black, Polydor, 1977)
Die neun-köpfige Funkband Banda Uniao
Black aus Brasilien nahm lediglich ein Album auf - dieses hat es jedoch
in sich. Viele US-Funkgruppen, besonders Ende der 70er hätten sich hier
ruhig mal den ein oder anderen Groove abschauen können. Das mit dem
"einen" Album stimmt dann genau genommen auch gar nicht, denn nach fast
40 Jahren Auszeit nahm die Band 2006 eine weitere LP für das Label
Vampisoul auf. Auf dieser setzten sie ihren damaligen Stil konsequent
fort, nur das die Drums und Bässe noch mehr Druck haben. Eine Empfehlung
für alle Funk-Fans.
13) Elis Regina - Mundo Destero
(Ela, Philips, 1971)
Zwar starb Elis Regina bereits im Alter von 36 Jahren, dennoch hat sie die brasilianische Musik in ihrer kurzen Schaffensphase entscheidend geprägt. Sie
war die Königin der Musica Poulare Brasileira, kurz MPB, der wichtigsten Musikrichtung des Landes in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Genre
entstand kurz nach Bossa Nova in den 60ern und verbindet ebenfalls
traditionelle Musik Brasiliens wie Samba mit neuen Stilen der
Unterhaltungsmusik, wie Rock und Reggae. Elis Regina verhalf dieser
Musik zu großer Bekanntheit und prägte ein neues künstlerischen
Selbstverständnis von Sängerinnen, bei dem Inszenierung durch Mimik, Gestik
und Kostüm eine wichtige Rolle spielten.
14) Arthur Verocai - Dedicado a Ela
(Arthur Verocai, Continental, 1972)
Im vergangenen Jahr wurde diese LP bei Ebay für einen Rekordpreis von 5000$ versteigert!
Grund für diesen unglaublich hohen Preis ist einerseits die Qualität
der Scheibe, keine Frage. Nicht jede gute Platte wird aber für 5000$
gehandelt. Wenn man die Preisentwicklung dieses Albums betrachtet, dann
fällt auf, dass sie bei Sammlern vor allem so hoch im Kurs steht,
seitdem Künstler wie Madlib oder MF Doom sie für ihr Songs gesampelt
haben. Mitlerweile folgten diverse Neuveröffentlichungen, wodurch auch
mehr Produzenten die Möglichkeit hatten mit Soundschnipseln dieses
Albums zu arbeiten. Das Original dazu gewann folglich an Wert bei einer
so hohen Nachfrage. Ob die Platte aber 5000$ Wert ist, gegenüber 20$ für
die Nachpressung, sei dahingestellt.
15) Jayme Marques - Berimbao
(Brasil Pop, RCA Camden, 1975)
Bei "Berimbao" handelt es sich um einen
wahren Klassiker der brasilianischen Musik. In dem vom Gitarristen Baden Powell komponierte Song steht das
gleichnamige Perkussions-Instrument im Mittelpunkt, ein ein-saitiger Musikbogen
mit einem Flaschenkürbis als Resonanzkörper. Es ist traditionell
das Hauptinstrument des Kampftanzes Capoeira, fand aber durch Dom Um
Ramao in den 70ern auch Eingang in den Jazz und später in weitere
Stile. Unzählige Versionen gibt es mittlerweile von diesem Titel, eine besonders gelungene ist die von Jayme Marques. Er kam in den 60ern nach
Portugal, um Bossa Nova in Europa bekannter zu machen. Von seinem in
Spanien veröffentlichten Album "Brasil Pop" aus dem Jahr 1975 stammt
seine Interpretation.