Monday, May 6, 2013

Sendung 27 - Holy Funk I

Diese Ausgabe kann als unkonventioneller Nachtrag zum evangelischen Kirchentag gesehen werden, der am ersten Mai-Wochenende in Hamburg stattfand. Caballo hat sich auf die Suche nach dem heiligen Gral begeben und präsentiert ungewöhnliche, obskure und seltene Aufnahmen religiöser Musik. Unzählige Plattenkisten wurden durchwühlt und immer mehr verschollene LP's zu Tage befördert, die das Herz jedes Cratediggers höher schlagen lassen. Unter anderem gibt es sakralen Jazz aus Mexiko, Folk aus Norwegen, Highlife aus Nigeria und Funk aus Deutschland. Ein Heidenspaß - auch für Christen.


Für die Zusammenstellung der Musik hat Caballo tatkräftige Unterstützung von Johannes bekommen, der seit vielen Jahren christliche Musik vor allem aus Deutschland sammelt. Auf seinem Youtube-Channel hat er ausgewählte Stücke seines Fundus' hochgeladen.

1) Tino Contreras y su Grupo - Santo
(Misa en Jazz, Pax, 1968)

Der Schlagzeuger aus Mexiko ist seit mehr als 50 Jahren aktiv und nahm in den späten 60ern eine Reihe von LP's mit seiner Gruppe auf, die heute äußerst schwer zu finden sind. Der Schwerpunkt seines Schaffens liegt auf Hardbop und modalem Jazz. Besonders auf der Platte "Misa en Jazz" ist dies deutlich zu hören. Für den darauf enthaltenen Titel "Santo" hat sich Contreras bei David Brubeck's Standard "Take five" bedient. Das Orgelostinato im 5/4 Takt trägt unüberhörbar die Handschrift des im letzten Jahr verstorbenen Pianisten.

 2) Hermann Gehlen - Kyrie
(Jazzmesse '66, Schwann, 1969)

Die ersten Jazzgottesdienste wurden Mitte der 50er Jahre organisiert. Durch die Einbindung moderner Musik in die Messe, wollten die Organisatoren gezielt junge Menschen für Religion begeistern und ihnen demonstrieren, dass Glaube keineswegs rückständig oder konservativ sein muss. "Kyrie" wurde 1966 von Hermann Gehlen für eine Jazzmesse in Düsseldorf geschrieben, die drei Jahre später von Kurt Edelhagen, der Solistin Agnes Giebel und dem Chor des Düsseldorfer Musikvereins für das Kirchenlabel Schwann eingspielt wurde.


3) The Search Party - The News is You
(Montgomery Chapel, Century Records, 1969)
 
Hierbei handelt es sich um eine Scheibe, die von vielen Sammlern als DER heilige Gral unter religiösen Platten bezeichnet wird. An dem musikalischen Talent des Quartetts kann es nicht liegen, denn auf einigen Tracks der LP hört man deutliche Schwächen im Gesang und Instrumentalspiel. Dennoch hat der aus Wisconsin stammende Produzent Nicholas Freund es wie kaum ein anderer verstanden, die Underground-Szene in San Francisco mit seinen religiösen Visionen zu verbinden. In der Montgomery Chapel nahmen er und seine Studenten schließlich das Album auf, dass in einer Auflage von 600 Exemplaren erschien. Und dies ist sicherlich der Hauptgrund, warum die obskure LP heute in Kennerkreisen für 1500$ gehandelt wird.

4) Exodus - Kettenlied
(Wovon Menschen leben, Privat, 1982)

Es ist schon erstaunlich: In Deutschland gibt es vergleichsweise wenig Funkplatten mit deutschen Texten. In den 70er Jahren dominierte immernoch Schlager, die Exoten und Freaks beschäftigten sich mit Rock. Und ausgerechnet eine kirchliche Band wie Exodus ist es, die auf ihrem "Kettenlied" funkige Grooves präsentieren. Auch wenn die gesamte LP musikalisch gelungen ist, bleibt dieser Song leider der einzige Ausflug in den Funk-Kosmos, ähnlich wie bei manchen Schlagermusikern, die es riskierten Funk in ihre Musik einfließen zu lassen.


5) Calvin B. Rhone - I believe
(Intimate Friend, Privat, 1983)

Calvin B. Rhone ist Pastor in Los Angeles und bekannt dafür, dass er nicht nur gern predigt, sondern auch singt. Als Sohn lokaler Kirchenaktivisten begann er seine Gesangskarriere bereits im Alter von acht Jahren, ehe er Anfang der 80er, im Alter von 22 Jahren, sein erstes Album „Intimate Friend“ veröffentlichte, auf dem er seine Liebe zu Funk und Gott miteinander verband. Seitdem machte sich der Baptist einen Namen als singender Pastor und gibt bis heute weltweit Seminare, in denen er unterstreicht, dass er nicht nur ein Mann des gesprochenen Wortes ist, sondern auch des gesungenen – des Gospels. Das Album erschien als Privatpressung und ist heute kaum noch bekannt - zu unrecht wie "I believe" beweist.

6) Mighty Walker Brothers - God's been good to me
(Single B-Seite, Revival, 197?)

Hinter den Mighty Walker Brothers, nicht zuverwechseln mit der Popgruppe The Walker Brothers, verbirgt sich eine Funkband aus Ecorse, in der Nähe Detroits. Während der 70er Jahre nahmen sie, beinflusst vom Soul und Funk der Motorcity, ein paar Singles für das lokale Label Revival auf. Die religiöse Ausrichtung des Labels kommt schon auf dem Aufdruck ums Mittelloch klar zum Ausdruck: "Dedicated to the promotion of the Gospel of Jesus Christ". Was den sekularen Hörern jedoch zu christlich war, war den Gospelhörern zu funky und damit unchristlich. So blieb die Band bis heute unentdeckt.
 
7) That's Why - Mattheus 25
(That's Why, Jazzman, 2012)

Die Rockmusik der 70er Jahre hatte einen Hang zum diabolischen, der sich im Hardrock und schließlich im Metal manifestierte. Bands wie Black Sabbath waren in den Augen der Kirche Auswüchse eines immer weiter um sich greifenden Mangels an christlichem Gedankengut. Um die jungen Menschen vom Teufel zu Gott zu bringen, wurden religiöse Rock-, sowie Folk- und Jazzgruppen gegründet. In Norwegen fand diese Entwicklung im Rahmen des Forum Experimentale statt, zu dem auch die Gruppe That's Why um Pianist jan Simonsen und Sängerin Gerdelin Sørensen zählte. Sie nahmen die Alben "Children of the future age" und "That's Why Vol. 2" auf, auf der sie Folk mit Jazz und Bibeltexten vermischten. Im vergangenen Jahr nahm sich das Label Jazzman diesen unauffindbaren Werken an und brachte eine selbstbetitelte Compilation heraus.

8)  David Axelrod - The Warning part II 
(Earth Rot, Capitol, 1970)

David Axelrod ist Komponist, Arrangeur und Produzent. Wer sich auch nur ansatzweise mit Rapmusik beschäftigt, der kennt höchstwahrscheinlich auch seine Musik - jedoch in veränderter Form. Denn Produzenten wie Dr. Dre oder Kanye West bedienten sich unzählige Male an Axelrod's Kompositionen und sampelten sie für ihre eigenen Songs. Der Schöpfer selbst hat seit jeher ein gespaltenes Verhältnis zu dieser Kunstform, denn einerseits schränke es die musikalische Kreativität ein, andererseits habe er es Hip Hop zu verdanken, dass auch junge Menschen seine Musik kennen und hören. Denn nach seinen Erfolgsjahren in den 70ern, bekam Axelrod keine Aufträge mehr und lebte in einem bescheidenen Appartment in Los Angeles. Bis in den frühen 90ern ein Vertreter seines ehemaligen Labels an die Tür klopfte um ihm einen dicken Scheck mit den Tantiemen für seine gesampelten Songs zu überreichen. Auch "The Warning part II" fand bereits Verwendung auf Mos Def's Album "Black on both sides".
9) The Electric Prunes - Closing Hymn
(Release of an oath, Reprise, 1968)

Die Mitglieder der Electric Prunes fanden sich in San Fernando Valley, Los Angeles. Sie starteten ihre Karriere mit Psychedelic-Singles, die sie an lokale Radiostationen verschickten. Es dauerte nicht lange, bis das Label RCA auf die Gruppe aufmerksam wurde, die zu diesem Zeitpunkt schon einige Hits in der Region landen konnte. Nach Charterfolgen in den USA und England, stellte Prunes-Manager Lenny Poncher Kontakt zum Arrangeur und Komponisten David Axelrod her. Axelrod schrieb jedoch Stücke, die technisch so anspruchsvoll waren, dass die Garagen-Band während der Produktionsphase von "Mass in F-Minor" aufgab und die kanadische Gruppe The Collectors die Aufnahmen vervollständigten. Für das zweite gemeinsame Album "Release of an Oath" engagierte Axelrod darum Top-Studiomusiker aus Los Angeles und liess die Electric Prunes lediglich den Gesang aufnehmen. 
  
 10) Oskar Gottlieb Blarr - Begebenheit
(Denn er hat Wunder getan, Schwann, 1968)

Der Kirchenmusiker und -organist war fast 40 Jahre lang an der Neanderkirche in Düsseldorf tätig. Hier schrieb er neben Oratorien und Orchesterwerken auch Musik für Jazzmessen. Das Album "Denn er hat Wunder getan", welches auf dem lokalen Schwann-Label erschien, nahm er gemeinsam mit Knut Kiesewetter auf. Der Jazzsänger und Posaunist ist bekannt dafür Jazz mit unterschiedlichsten Stilen, darunter Blues, Chanson und eben auch Gospel zu mischen.

11) Rising Stars - Kyrie
(Worte ins Leben - Neue Lieder zum Gottesdienst, Studio Union, 1975)

Dieser Titel wurde mir von Johannes zugespielt. Ich habe leider kaum Informationen zur Band gefunden. Fakt ist, dass er auf der 2x7inch "Worte ins Leben - Neue Lieder zum Gottesdienst" zu finden ist. Die Band selbst bestand aus "Theologiestudenten der Ordenshochschule der Redemptoristen in Henned/Sieg.
Ihre langjährigen Erfahrungen in dem Bemühen, mit neuen textlichen und musikalischen Ideen zu einem lebendigen Gottesdienst beizutragen, haben auch in diesen Liedern ihren Ausdruck gefunden. Das lebhafte Echo in zahlreichen Gemeinden hat die Band der jungen Ordensleute ermutigt, ihre neuesten Lieder auf diesen Platten der Öffentlichkeit vorzustellen."

12) Bala Miller & The Great Music Pyrameeds of Afrika - Ikon Allah
(Bala Miller & The Great Music Pyrameeds of Afrika, Afrodisia, 1979)

Mit über 44% hat Nigeria einen der höchsten Anteile an Muslimen in Afrika, besonders der Norden ist muslimisch geprägt. Aus dieser Region stammt Bala Miller, einer der prominentesten Musiker und Entertainer des westafrikanischen Landes, der vor zehn Jahren, im Alter von 75 starb. Seine Lieder hatten oft sozialkritische, aber auch religiöse Themen zum Inhalt, so besang er auf „Ikon Allah“ beispielsweise den Willen Gottes, unterstützt von seiner Band Pyrameeds of Afrika. In Nigeria kennt man das Lied vornehmlich aus der Miller's Fernsehshow, in der er häufig seinen eigenen Songs sang.

13) Salamander - False Witness
(The Ten Commandments, Young Blood, 1971)

Salamander aus Großbrittanien waren hörbar von den frühen Deep Purple inspiriert. Auf ihrem Konzeptalbum "The Ten Commandments" kombinierten sie diesen Rock mit biblischen Texten. Der track "False Witness" bezieht sich auf das achte Gebot - Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deines Nächsten.
14) The Sim-Aries - I was just a sinner
(Out on a Hill, ABC, 1974)

The Sim-Aires sind eine R&B-Gospelkapelle aus Kalifornien, die neben der LP "Out on a Hill" auch eine handvoll Singles releast haben. Besonders das für Gospel typische Element des Call-and-Response kommt wie auf "I was just a sinner" häufig zum Einsatz. Die LP ist einer der nicht so leicht zu findenen Releases des Labels ABC / Dunhill Records, auf dem in den frühen 70ern viele Soulklassiker erschienen.