Friday, January 13, 2012

Sendung 11 - Januar '12

Die erste Ausgabe von Diggin in the Crates im Jahr 2012 hat es in sich: Wieder einmal geht die musikalische Reise kreuz und quer um den Erdball. Ihr hört unter anderem Library-Musik aus Australien, thailändische Neuinterpretationen amerikanischer Soulhits oder rare Singleaufnahmen aus Aserbeidschan. Dabei lösen sich sämtliche Genregrenzen über die Kontinente hinweg auf und führen zu einer kulturell-akustischen Fusion an deren Ende nur noch eines bleibt: Gute Musik.


1) Roberto Roena - Que se sepa
(Roberto Roena y su Apollo Sound 5, International, 1973)

Roberto Roena kann in seiner rund 50 Jährigen Karriere auf eine Vielzahl von Aufnahmen mit diversen Musikern zurückblicken. Ob als Mitglied in der Supergruppe Fania All Stars, an der Seite von Manu Dibango, oder mit seiner eigenen Band Apollo Sound. Mit dieser Combo spielte der Puertoricaner in den 70ern mehr als neun Alben ein und tourte mehrmals um die ganze Welt. Neben seiner Heimat erfreute sich seine Musik besonders in den USA großer Belibetheit. Speziell in New York und Los Angelos, wohin viele Südamerikaner emigrierten liefen seine Scheiben während der Hochphase der Boogaloo- und Salsa-Welle auf Dauerrotation.

2) Sven Libaek - Misty Canyon
(My Thing, Peer International, 1970)

Der gebürtige Norweger Sven Libaek emigrierte bereits in frühen Kinderjahren mit seinen Eltern nach Australien, wo er bis Ende der 70er Jahre eine wichtige Position in der Musikszene des Landes einnahm. Als Hausproduzent von CBS war er nicht nur an vielen australischen Aufnahmen jender Zeit beteiligt, sondern komponierte darüber hinaus Soundtracks und Musik für Dokumentationen und Serien. Die LP "My Thing", die er 1970 für das Label Peer International aufgenommen hat, zählt unter Sammlern zu den beliebtesten Library-Scheiben überhaupt. Die Verwendung von "Misty Canyon" für einen Track des Rap-Projekts Dangerdoom steigerte die Nachfrage enorm.

3) Tamam Shud - Music train
(Evolution, CBS, 1969)

Tamam Shud war eine australische Progressive Rock Band, die sich in den 60er Jahren formierte. Anfangs noch unter Namen wie The Strangers oder The Sunsets aktiv, änderten sie die Besetzung und den Namen 1967 in Tamam Shud. Die Ursprünge ihrer Musik sind im Surf zu finden und dies kann durchaus wörtlich verstanden werden. Denn im Gegensatz zu vielen US-bands, die diesen Stil prägten, war das Wellenreiten tatsächlich eine wichtige Inspirationsquelle für die Gruppe, wie Drummer Dannie Davidson selbst berichtet:

"The Band started hanging out together, surfboard riding was starting to play a large part in our lives, and we were all good mates about to start this wonderful journey through our youth of Music and Surfing."

4) Zia (Atabi) - Helelyos
(Single, Ahang Rooz, 197?)

Informationen über Zia Atabi herauszubekommen ist kein leichtes Unterfangen. Dies gilt im Übrigen für viele Musiker aus dem arabischen und asiatischen Raum. Grund hierfür sind neben den offensichtlichen Sprachbarrieren, dass oft nur geringe Interesse der Hörer an alten Aufnahmen aus dem eigenen Land. Das liegt im Falle des Irans vor allem an den politischen Umständen im Land. Bis zur Revolution im Jahr 1979 war die Kunst und Musik nämlich dutlich vom Westen beeinflusst, was man in den Folgejahren durch eine Besinnung auf die eigenen traditionen und Werte wieder rückgangig machen wollte. Viele Künstler aus der damiligen Zeit, wie auch der Popstar Zia, flohen ins Exil. Ihre Werke haben seitdem einen schlechten Ruf und sind aus diesem Grund nur schwer zu finden.

5) Boкaльньiй Kвapтет „ГAЯ” - Your Voice
(Single, Melodiya, 196?)

Mit der Single vom Vocal Quartet Gaya verhält es sich ähnlich wie mit der Musik von Zia. Auch in Aserbeidschan stand westlich inspirierte Musik in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts unter strenger Beobachtung. Frei Stilformen wie Jazz waren teilweise sogar verboten und konnten nur heimlich über Langwelle empfangen werden. Jeder noch so kleine Klangfetzen wurde von den dortigen Musikern mit großer Begeisterung aufgesogen und nachgespielt. Der Komponist Gara Garayev formierte in den späten 60ern drei befreundete Musiker um sich mit der Absicht diese Jazzeinflüsse mit poulärer Musik zu mischen. Dies ermöglichte es der Band einen offiziellen Release haben zu können, der nicht droht auf dem Index zu landen.

6) Letta Mbulu - What is wrong with groovin'
(Single, Random, 1967)

Die südafrikanische Vokalistin Letta Mbulu verließ ihre Heimat 1965 um mit US-Größen wie David Axelrod oder Cannonball Adderley zusammenzuarbeiten. Zwei Jahre später traf sie auf einen anderen Musiker aus Südafrika, der ebenfalls versuchte sich in den USA zu etablieren - Hugh Masekela. Mit ihm nahm Mbulu die Single "What is wrong with groovin'" auf, die mit ihrer Mischung aus Jazz, Soul und Salsa zu einer der rarsten 45's überhaupt avancierte. Es ist dem Radio-DJ Gilles Petersen, der die Platte wohl als erster vor dem Vergessen bewahrte, und dem Label Jazzman Records zu verdanken, dass sich Musikliebhaber die Scheibe heute kaufen können, auch wenn sie mal nicht 800$ unter ihrem Kopfkissen liegen haben.

7) Les Tabalas - Initiation
(Single B-Seite, Cadici, 1963)

Professionelle Aufnahmemöglichkeiten gab es im Senegal Anfang der 60er Jahre, wie in den meisten anderen afrikanischen Ländern, kaum. Ausnahmen bilden sicherlich Länder wie Ghana, Südafrika oder Nigeria, in denen schon früh Produktionen von internationalem Niveau durchgeführt werden konnten. Generell steckte die Musikindustrie jedoch noch in den Kinderschuhen und so bildet die Single der Studentenband Les Tabalas ein gutes Beispiel für die damalige Studiosituation. Aufgenommen wurde die EP nämlich in einem kleinen Kellerstudio in Dakar, das an den Elektronik- und Plattenladen Cadici angeschlossen war (siehe Labelenamen). Dort nahmen viele Lokalbands auf, denn in das große Studio von AM Radio durften meist nur die Radioorchester.

8) Belaynesh Wubante & Assegedetch Asfaw - Alemiye
(Single, Philips, 1974)

Meines Wissens nach haben die äthiopischen Sängerinnen Belaynesh Wubante und Assegedetch Asfaw zwei Single mit dem Arrangeur und Komponisten Mulatu Astake aufgenommen. Dieser kam während seines Studiums in den USA mit Jazz und lateinamerikanischer Musik in Berührung, die er nach seiner Rückkehr Anfang der 70er Jahre zunehmend in seine Musik integrierte. Es kam zur Verschmelzung dieser Musikformen mit traditioneller äthiopischer Musik - der Ethio-Jazz entstand. Wenn man sich "Alemiye" genau anhört, könnte man sogar sagen, dass Astake gemeinsam mit Wubante und Asfaw ein weiteres Genre geschaffen hat, und zwar den Ethio-Psych.

9) Banda Uniao Black - A familia Black
(Uniao Black, Polydor, 1977)

Die neun-köpfige Funkband Banda Uniao Black aus Brasilien nahm lediglich ein Album auf - dieses hat es jedoch in sich. Viele US-Funkgruppen, besonders Ende der 70er hätten sich hier ruhig mal den ein oder anderen Groove abschauen können. Das mit dem "einen" Album stimmt dann genau genommen auch gar nicht, denn nach fast 40 Jahren Auszeit nahm die Band 2006 eine weitere LP für das Label Vampisoul auf. Auf dieser setzten sie ihren damaligen Stil konsequent fort, nur das die Drums und Bässe noch mehr Druck haben. Eine Empfehlung für alle Funk-Fans.


10) Gerry Weil - The joy within yourself
(The Message, Polydor, 1971)

Gerhard Weilheim a.k.a. Gerry Weil kam früh mit Jazz in Berührung. Amerikanische Soldaten, die in Venezuela stationiert waren brachten ihm Swingstücke von Glenn Miller bei, woraufhin er sich zunehmend mit dieser Musik auseinandersetzte. In den späten 70ern fing er an viel mit anderen Stilen zu experimentieren und verwob in völliger Isolation auf einem venezuelanischen Landgut Musik von Bach mit hindischen Spirituals. Weil ist das urgestein in der Jazzszene des landes und veröffentlicht nach wie vor Alben. Seine letzte LP "Tepuy" erschien 2009 und skizziert den aktuellen Stand seiner über 60 jahre andauernden musikalischen Entwicklung.

11) Abdallah - Wild Hawk
(Single, Empire, 1972)

Bei der Single des libanesischen Sängers Abdallah handelt es sich um einen der vielen noch unentdeckten Schätze aus dem Nahen Osten. Obwohl es mitlerweile eine Vielzahl Lables gibt, die sich auf rare Musik spezialisiert haben und in regelmäßigen Abständen verschollene Obskuritäten neuauflegen, scheint der Fundus an bisher unbekannten Platten höher als je zuvor. Wahrscheinlich liegt es gerade an dem stark wachsenden Interesse von Musikfans und Diggern sich auf die Suche nach dem heiligen Gral zu begeben, dass an allen Ecken dieser Welt immer mehr Kuriositäten auftauchen. Zu vielen dieser Scheiben liegen aber (noch) keine Informationen vor und so kann ich außer den Angaben, die sich auf der Single befinden keine Details geben.



12) Suda Chuenbarn - Funky Broadway
(Single, Apples, 197?)

Mit dem Cover von Suda Chenbarn verhält es sich ähnlich wie mit der 45 von Abdallah. Es sind im Internet kaum Informationen über die Sängerin oder die Platte zu finden. Das Label Apples kenne ich zwar mitlerweile und kann sagen, dass es sich dabei um ein thailändisches handelt, viel mehr ist mir nicht bekannt. Der Song "Funky Broadway" stammt ursprünglich von Glen Miller 8nicht zu verwechseln mit Glenn Miller). Er tauchte vor ein paar Jahren auf der Compilation "Thai Beat a GoGo" auf, auf welcher einige ungewöhnliche Pop-Singles aus Thailand zusammengetragen wurden.

13) Bo Hansson - The City
(Magican Hat, Charisma, 1973)

Zum Ende der Sendung geht die Reise nach Europa, genauer gesagt nach Schweden. Doch wo genau wir uns befinden lässt sich beim Hören von Bo Hanssons Musik nur schwer sagen. Auf seinen Alben vermischen sich Rock und Jazz, fließen hinüber in Folk und lassen dann wieder starke Themen in den Vordergrund treten, wie man sie sonst nur aus der Filmmusik kennt. Die Grundstimmung dieser Fusion weist dabei eine Grundstimmung auf, die ich bisher bei keiner anderen Platte erlebt habe. In den Kompositionen von Bo Hansson ist eine geheime Zutat enthalten, die sich vielleicht am Besten mit mystisch beschreiben lässt. Die Musik bewegt sich aber jenseits von Worten. Wer das verstehen möchte, sollte sich das Album in ganzer Länge anhören.


14) Emil Viklicky Quartet - Cacharel
(Hommage to Joan Miro, Supraphon, 1988)

Zum Abschluss der Sendung gibt es ein ambitioniertes Jazzprojekt aus der Tschecheslowakei. Emil Viklicky und sein Quartett haben es sich zur Aufgabe gemacht die Bilder und Figuren des katalanischen Künstlers Joan Miro musikalisch umzusetzen. Dabei beschränken sie sich nicht nur auf die direkte Übertragung eines Kunstwerkes auf einen Song, sondern es ging vielmehr darum sich von dem geist des Malers und seiner ästhetischen Sprache inspirieren zu lassen.